Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Ein Jahr kann lang sein. Der Boden knarzt morbide. Verlassen. Eine Galerie ohne Treppe, mit festem Boden unter den Füßen. Performer mittendrin. Alexander Gottfarbs Tanzprojekt Negotiations ist ein ganzes Jahr bis 26. Januar 2019 in der Filiale des Tanzquartiers in einem ehemaligen Ladenlokal in der Neustiftstraße 31 in Wien zu sehen. 10 Tänzer, die abwechselnd, täglich von 10 – 18 Uhr performen.
Wenn Siegfried Kracauer über den Angestellten sagt: „Aus dem Geschäftsbetrieb in den Amüsierbetrieb ist ihre unausgesprochene Devise.“ (1), verschiebt sich hier die Zeitspanne von gewohnter Tanz,- Theater- und Performanceaufführung hin zu Performance im Zeitfenster des Arbeitstages. Dies ist nur ein Hinweis von vielen, dass Tanz Arbeit ist und das nun von nine to five oder vielmehr ten to six. Auch an Wochenenden und Feiertagen. Der Einritt ist frei. Vielleicht auch eine leise Anspielung an die Selbstausbeutung im gegenwärtigen Kunstapparat oder auch ein Standhalten gegen Technologisierung und Roboterparks. Während der „Geschäftszeiten“ lädt der Raum zum Verweilen ein, zum Beobachten, Erkennen und sich einlassen, in eine Bewegung von Bewegungen, Wiederholungen, die in der Wiederholung sukzessiv Veränderungen ergeben. Bilder, Assoziationen, Verknüpfungen mit Alltäglichem oder sich in komplett abstrakte Strukturen verlierende Positionswechsel. Findet sich der Betrachter auch darin wieder, unterstützt durch subtil, eindringlichen Sound, in einer Flüchtigkeit von Begegnungen mit dem Gehörtem und Gesehenem. Die Arbeit lädt ein zum Wiederkommen, zum Erforschen der Veränderung, der Rezeption von den eigenen Eindrücken und deren Überlagerungen. Wandelt sich die eigene Wahrnehmung als Betrachter morgens im Regen, bei Minusgraden im Winter oder durch Gläserklirren auf dem Vorplatz des Lokals von gegenüber. 365 Tage Tanz in der Öffentlichkeit und jeder Tag ist eine Aufführung. Jeder Tag ist Konzentration. Jeder Tag erzeugt Ergebnisse. Jede Bewegung ist eine neue Verhandlung, von der Vorangegangenen und zur Zukünftigen. William Forsythes Projekt Motion Bank, bei dem das Erforschen von Choreographie durch Hilfe digitaler Aufzeichnung von Bewegung erfasst wurde, eine Bibliothek für Tanz durch Partitur und Notationen, zeigt sich Negotiation als Forschung in Echtzeit. Erscheint vielmehr der Körper als eigentliche Bibliothek von gespeicherten Abläufen und Wissen. Tanz ist Arbeit. Arbeit ist sichtbar. Sichtbar die Verhandlung von Körper und Ausdruck, Körper und Bewegung, Bewegung ist Wiederholung. Wiederholung wurde auch schon zum Markenzeichen von The Fall mit der Textzeile „Repetition in the music and we’re never going to loose it“ aus ihrem gleichnamigen Song Repetition. Wiederholung liest sich bei Negotiation ebenso als ein Suchen nach Veränderung, ein Trial and Error zur Überwindung von Gewohnheiten, eine Umwandlung, eine kritische Darstellung von Fortschritt und Umgestaltungen. Man sollte in diesem Fall der Gewohnheit etwas positives abgewinnen und wiederkommen.
(1) Siegfried Kracauer, „Die Angestellten“, S.95, Suhrkamp Verlag 1971, Frankfurt Main